Destillation

Prinzip der Destillation

In einer Vielzahl von chemischen Produktionsanlagen besteht die Notwendigkeit, Flüssigkeitsgemische teilweise oder vollständig in ihre Bestandteile zu zerlegen. Eine der bedeutsamsten Methoden für derartige Entmischungsoperationen stellt die Destillation dar. Dabei wird die Bedeutung nicht allein nur durch die Häufigkeit der Anwendung der Destillation in der chemischen Technik bestimmt, sondern auch durch die Notwendigkeit, in immer größerem Umfang auf die kontinuierliche Arbeitsweise überzugehen. Der Destillationsprozeß stellt eine Verbindung der Operationen Verdampfen und Kondensieren dar. Das zu trennende Gemisch wird bis zur Siedetemperatur erwärmt. Der dann einsetzende Verdampfungsvorgang führt zu einer Dampfphase, in der vor allem die Komponenten mit einer niedrigen Siedetemperatur (leichtersiedende Komponente) enthalten sind, während die Komponenten mit einer höheren Siedetemperatur (schwersiedende Komponente) in ihrer Hauptmenge in der flüssigen Phase verbleiben. Der durch diese Teilverdampfung entstehende Dampf wird von der Flüssigkeit getrennt und kondensiert. Somit liegen nach der Destillation zwei Flüssigkeiten vor, die sich in ihrer Zusammensetzung unterscheiden. Diese Verfahrensweise ermöglicht in Abhängigkeit von der Gemischart und der Prozeßführung eine mehr oder weniger vollständige Zerlegung des Flüssigkeitsgemisches in die einzelnen Komponenten.

Destillationsmethoden

Die einfachste Methode stellt die sogenannte Top-Destillation dar. Sie besteht apparativ aus der Blase, einem Kondensator und der Vorlage. Das in der Blase befindliche Flüssigkeitsgemisch wird durch eine indirekte Heizung auf Siedetemperatur erwärmt und zum Teil verdampft. Der aufsteigende Dampf gelangt in den Kondensator und wird dort durch Wärmeentzug niedergeschlagen. Das Kondensat wird in der Vorlage aufgefangen.

Dabei reichert sich die in der Blase verbleibende Flüssigkeit mit schwerersiedenden Komponenten an, während das Kondensat überwiegend leichtersiedende Komponenten enthält. Voraussetzung ist aber, daß nicht das gesamte Flüssigkeitsgemisch der Blase verdampft wird, denn damit wäre der gesamte Prozeß sinnlos geworden. Durch die ständige Anreicherung der schwersiedenden Komponenten in der Blase steigt die Siedetemperatur dementsprechend an. Wie noch zu beweisen sein wird, ist mit dieser Methode keine vollständige Trennung der Komponenten zu erreichen. Eine erste Verbesserung in der Trennwirkung läßt sich durch Hintereinanderschaltung mehrerer Blasen erreichen. Man spricht dann von einer Fraktionierten Destillation. Durch diese Anordnung wird es möglich, ein Flüssigkeitsgemisch in mehrere Teilprodukte zu zerlegen. Diese Teilprodukte bezeichnet man als Fraktionen, die sich jeweils auf Grund der unterschiedlichen Zusammensetzung in ihren Siedebereichen unterscheiden. Dabei hat der Flüssigkeitsrückstand in der Blase den höchsten, die Flüssigkeit in der Vorlage den niedrigsten Siedebereich. Trotzdem ist es aber auch mit dieser Methode praktisch noch nicht möglich, eine vollständige Trennung in die einzelnen Komponenten zu erreichen. Hinzu kommt, daß diese Methode- sehr energieintensiv ist. Nach jeder Blase erfolgt in Form der Kondensation des jeweiligen Dampfes ein Wärmeentzug, der als reiner Wärmeverlust anzusehen ist, denn in der nächstfolgenden Blase wird eine erneute Aufheizung notwendig. Eine technische Anwendung der fraktionierten Destillation ist aber trotz der Wärmeverluste immer dann anzutreffen, wenn bei einem aus sehr vielen Komponenten bestehenden Flüssigkeitsgemisch (z. B. Erdöl) zunächst eine Vortrennung erreicht werden soll. In einer weiteren Destillationsmethode verzichtet man auf die Zwischenkondensation und schlägt den Dampf direkt in der Flüssigkeit der nächstfolgenden Blase nieder. Hierbei wird die Kondensationswärme der aus der ersten Blase abströmenden Dämpfe ohne Verluste für die Verdampfung in der zweiten Blase ausgenutzt. Da die Siedebereiche in den folgenden Blasen immer geringer werden, kann durch geeignete Maßnahmen in den weiteren Blasen eine Beheizung vollständig entfallen. Die auf diesem Prinzip aufbauende Destillationsmethode bezeichnet man als Rektifikation. Um die trotz dieser wärmetechnischen Verbesserungen auftretenden hohen Wärmeverluste durch Abstrahlung und Konvektion an den Blasenwänden ebenfalls zu verringern, hat man die Blasen in sogenannten Kolonnen zusammengefaßt und durch Böden ersetzt. Dadurch läßt sich auch eine wirksame Isolierung leichter realisieren.

Die Blase stellt dabei den Ausgangsort der Verdampfungs- und Kondensationskette dar. Hier erfolgt die Beheizung. Der entstehende Dampf gelangt in den untersten Boden, wo er auf die von oben herablaufende Flüssigkeit (Rücklauf) trifft- Die im Dampf enthaltenen schwerersiedenden Komponenten werden bevorzugt kondensiert und vereinigen sich mit der Flüssigkeit, während die im Dampf enthaltenen leichtersiedenden Komponenten sich zum nächsthöheren Boden in dampfförmigem Zustand bewegen. Gleichzeitig wird die dabei auftretende Kondensationswärme ausgenutzt, um die in der Flüssigkeit enthaltenen leichtersiedenden Komponenten zu verdampfen. Dieser Vorgang (Stoffaustausch) vollzieht sich auf jedem Boden, so daß der die Kolonne verlassende Dampf eine weitergehende Anreicherung an leichtersiedenden Komponenten besitzt. Zur Erzeugung der herablaufenden Flüssigkeit wird ein Teil des kondensierenden Dampfes als Kondensat (Rücklauf) in die Kolonne zurückgeführt. Diese als diskontinuierliche Gegenstromdestillation bezeichnete Methode gestattet bereite eine weitestgehende Trennung des Flüssigkeitsgemisches. Der Destillationsprozeß läuft dabei so lange, bis eine gewünschte Konzentration in der Blase erreicht ist. Danach wird der Prozeß abgebrochen, die Blase entleert und für die nächste Destillation mit neuem Flüssigkeitsgemisch gefüllt. Ersetzt man nun auch noch die Blase durch eine Kolonne und führt das zu destillierende Flüssigkeitsgemisch oberhalb dieser Kolonne ein, so kann man den Prozeß kontinuierlich gestalten, und man erhält eine kontinuierliche Gegenstromdestillation.

Phasengleichgewicht von Flüssigkeitsgemischen

Wird in einem Behälter eine Flüssigkeit erwärmt, so entsteht eine verstärkte Bewegung der Molekeln, und der Anteil der den Flüssigkeitsverband verlassenden Molekeln nimmt zu. Wird dabei die Siedetemperatur der Flüssigkeit erreicht, dann ist die innere Energie des Molekelverbandes so weit angestiegen, daß ein gleichmäßiges Abströmen der Molekeln aus dem Flüssigkeitsverband auftritt (Verdampfungsvorgang). Erfolgt dieser Vorgang in einem geschlossenen Gefäß und gehen unabhängig von der Temperatur in der gleichen Zeit ebensoviel Molekeln aus der Flüssigkeit in den Dampfraum wie aus dem Dampf in die Flüssigkeit über, dann liegt ein Phasengleichgewicht vor, d. h., Flüssigkeit und Dampf befinden sich im Gleichgewicht. Durch die Wärmebewegung der Molekeln entsteht infolge der Ausdehnung des Dampfes (Gases) ein thermischer Druck. Die Höhe hängt dabei sowohl von der Temperatur als auch von der im Dampfraum befindlichen Anzahl der Molekeln ab. Der thermische Druck von Flüssigkeiten, die ein bedeutend kleineres spezifisches Volumen als Gas aufweisen, ist erheblich höher als der Gasdruck. Der sich über der Flüssigkeit ausbildende Dampfdruck ist aber erheblich niedriger als der thermische Druck. Die Ursache für diese Verringerung ist in den innermolekularen Anziehungskräften zu suchen, die sich als Kohäsionsdruck bzw. Adhäsionsdruck zeigen. Der Dampfdruck ergibt sich somit als Differenz aus thermischen und Kohäsions- bzw. Adhäsionsdruck. Der Gesamtdampfdruck eines Flüssigkeitsgemisches setzt sich aus den Partialdrücken der einzelnen Komponenten zusammen.

Auf ein Zweistoffsystem, bestehend aus den Komponenten A und B, angewandt, bedeutet das, daß sowohl die Anziehungskräfte der Komponenten A bzw. B untereinander als auch die Anziehungskräfte der Komponente A mit der Komponente B von entscheidendem Einfluß sind. Bezeichnet man die Anziehungskraft der Molekeln der Komponente A untereinander mit OAA, die der Molekeln der Komponente B untereinander mit ÖBB und die Anziehungskraft der Molekeln der beiden Komponenten A und B untereinander mit OAB, so kann man damit die unterschiedlichen Gemischarten erklären. Ein Gemisch, in dem die Anziehungskräfte alle gleich groß sind (OAA = OAB — OBB), bezeichnet man als ideale Lösung, da die Komponenten in jedem beliebigen Verhältnis miteinander mischbar sind. Die Kraft, die erforderlich ist, um ein Molekel der Komponente A im Flüssigkeitsverband zu halten, ist in diesem Fall unabhängig von der Zusammensetzung des Gemisches. Denn es ist gleichgültig, von welchen Molekeln das betreffende Molekel umgeben ist, die haltende Kraft ist immer gleich groß. Damit wird der Partialdruck einer Komponente nur bestimmt von der Anzahl der Molekeln, die in der Zeiteinheit die Flüssigkeitsoberfläche mit der zur Überwindung der Anziehungskräfte notwendigen Geschwindigkeit erreichen. Der Partialdruck stellt sich als der Konzentration der Flüssigkeit entsprechender Teil des Dampfdruckes der Komponente dar.

Ist dagegen die Anziehungskraft der Molekeln zweier verschiedener Komponenten bedeutend größer als die Anziehungskräfte OAA, so ist der Gesamtdampfdruck eines solchen Gemisches kleiner als der der idealen Lösung. Man spricht dann von Gemischen mit negativer Abweichung vom Raoultschen Gesetz als Folge der verstärkten Beeinflussung der Molekeln untereinander. Wenn die Anziehungskraft OAB der Molekeln zweier verschiedener Komponenten dagegen kleiner ist als die Anziehungskräfte OAA werden die Molekeln weniger stark in der Flüssigkeit festgehalten, als wenn sie nur von Molekeln der gleichen Art umgeben sind. Das bedeutet, daß die Molekeln geringere Kohäsions- bzw. Adhäsionskräfte zu überwinden haben und leichter in den Dampf gelangen. Dementsprechend bezeichnet man solche Gemische als Gemische mit positiver Abweichung vom Raoultschen Gesetz. Nimmt die Anziehungskraft OAB der Molekeln zwischen den Komponenten Werte an, die nur wenig von Null verschieden sind, so werden die verbindenden Kräfte zwischen den verschiedenartigen Molekeln nur noch sehr gering wirksam. Das Gemisch beginnt sich zu trennen, und es treten zwei Schichten auf, wobei die spezifisch schwerere Komponente die untere Schicht bildet. Man spricht von teilweise löslichen Gemischen bzw. bei vollständiger Trennung von Gemischen mit ineinander unlöslichen Komponenten.

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