Destillationskolonnen (Rektifikationskolonnen)

Eine entscheidende Voraussetzung für einen möglichst vollständigen Stoffaustausch zur Erreichung der Gleichgewichtskonzentration auf jedem Boden einer Destillationskolonne besteht in der innigen Berührung zwischen aufsteigendem Dampf und hinabfließender Flüssigkeit. Um diese Voraussetzung erfüllen zu können, wurden Destillationskolonnen entwickelt, die sowohl eine möglichst große Berührungsfläche zwischen Dampf und Flüssigkeit besitzen als auch eine hohe Verwirbelung der beiden Phasen gestatten. Es werden drei Grundtypen von Kolonnen unterschieden:

Die Kolonnen müssen die der jeweiligen Trennaufgabe zugehörende tatsächliche, Trennstufenzahl verwirklichen und eine Regelung des Rücklaufverhältnisses gestatten. Die Größe einer Betriebskolonne für eine bestimmte Durchsatzleistung hängt vom Rücklaufverhältnis ab. Wird dieses erhöht, so sinkt die erforderliche Trennstufenzahl, und der Kolonnendurchmesser wächst. Es ist daher mit optimalem Rücklaufverhältnis zu fahren.

Bodenkolonnen

Für Durchmesser > 1500 mm sind Bodenkolonnen die in der Industrie am häufigsten eingesetzten Kolonnentypen. Allen gemeinsam ist das Vorhandensein von Böden, über die die Flüssigkeit hinwegfließt und durch die der Dampf hindurch tritt. Es sind etwa 20 Bodenarten bekannt. Die wichtigsten Bodenarten sind:

Glockenböden

Der Glockenboden erhält über den Zulaufstutzen die vom darüberliegenden Boden kommende Flüssigkeit (Rücklauf), verteilt diese über die gesamte Bodenfläche und sammelt sie wieder im Ablaufstutzen, der wiederum gleichzeitig Zulaufstutzen des darunterliegenden Bodens ist. Der Dampf tritt zunächst durch die in den Boden eingelassenen Glockenhälse (Kamine), danach in die darüberliegenden Glocken, in denen der Dampf umgeleitet wird und in die Flüssigkeit eintritt. Dadurch wird die Flüssigkeit aufgewirbelt und bildet eine sogenannte Sprudelechicht, in der der Stoffaustauach stattfindet. Damit der Dampf nicht durch den Zulaufstutzen entweichen kann, wird dieser tief in die Flüssigkeitsschicht gezogen. Die Eintauchtiefe der Glocken {6.-.40 mm) beeinflußt den Austauschgrad. Außerdem befindet sich noch ein Zulaufwehr neben dem Einlaufstutzen. Die Höhe der auf dem Boden befindlichen Flüssigkeitsschicht wird durch die Höhe des Ablaufwehres bestimmt. Der klassische Glockenboden ist technisch wegen zu hoher Investitionskosten überholt.

Böden mit dynamisch arbeitenden Stoffaustauschelementen (Ventilen) werden gegenwärtig in großem Umfang angewendet. Durch den Einbau von Klappen, die sich in Abhängigkeit von der Belastung öffnen oder schließen, strömt der Dampf mit fast konstanter Geschwindigkeit in die Flüssigkeit ein, und der Druckverlust bleibt nahezu konstant. Gleichzeitig wird durch die Ventilwirkung ein Trockenblasen des Bodens praktisch verhindert (siehe Siebbodenkolonne). Die in der Herstellung billigsten Böden sind Böden ohne Stoffaustauschelemente.

Siebböden

Siebböden enthalten statt Glocken oder Ventilen eine Vielzahl von Bohrungen mit einem Durchmesser 1 bis 12 mm. Der Dampf tritt durch die Öffnungen in die Flüssigkeit ein und bildet die Sprudelschicht aus. Zu beachten ist aber, daß sich vor allem bei größeren Kolonnendurchmessern von der Zulaufstelle zum Ablauf über den Boden hinweg ein Flüssigkeitsgefälle ausbildet. Diese sowohl für Glocken- als auch Siebböden typische Erscheinung hat zur Folge, daß an der Stelle der geringeren Flüssigkeitshöhe, auf Grund geringerer Widerstände, der Dampf »leichter« hindurchtreten kann. Das führt zu einer ungleichmäßigen Belastung des Bodens. Dieser Erscheinung Rechnung tragend, werden die Böden gelegentlich schräg in die Kolonne eingebaut (erhöhter Arbeitsaufwand beim Bau der Kolonne). Dieser Schrägeinbau führt aber vor allem bei Siebbodenkolonnen - weniger bei Ventilbodenkolonnen zu sogenannten Sickerverlusten. Diese entstehen dadurch, daß der Strömungsdruck des Dampfes nicht mehr über den ganzen Boden ausreicht, um die Flüssigkeit daran zu hindern, durch die Sieblöcher zu treten. Vergleicht man die Wirkungsweisen beider Bodenkolonnen, so kann festgestellt werden, daß in bestimmten Belastungsbereichen Siebböden einen größeren Wirkungsgrad erreichen als Glockenböden. Allerdings ist der Siebboden wesentlich anfälliger gegen Schwankungen in den Flüssigkeits- bzw. Dampfbelastungen, die in der praktischen Destilliertechnik nie ganz zu vermeiden sind.

Gitterböden

Bei den Gitterböden werden Schlitze mit einer Breite von 3.-.6 mm vorgesehen bzw. die Form eines Rostes gewählt. Der Durchmesser dieser Bohrungen bzw. die öffnungsweite anderer Lochformen sind so zu wählen, daß die Flüssigkeit bei normaler Dampfbelastung angestaut wird, so daß der aufsteigende Dampf wiederum durch die Flüssigkeit hindurchtreten muß. Der Druckverlust der Betriebskolonnen liegt für Normaldruck bei 0,3 bis 0,8 kPa je Glocken- und Siebboden.

Streckmetallböden

Streckmetallböden, auch als Performkontaktböden bezeichnet, sind Hochleistungsböden Streckmetallsegmente mit schräger Anordnung der Streckmetallschlitze sind wechselseitig als Boden angeordnet. Durch die Anordnung der Streckmetallschlitze ist zwischen Dampf und Flüssigkeit in Strömungsrichtung ein spitzer Winkel vorhanden, so daß eine Zwangsführung der Flüssigkeitsströmung entsteht. Durch diesen zusätzlichen Transporteffekt können große Flüssigkeitsmengen über den Boden transportiert werden. Arbeitsbereiche der Bodenkolonnen In der praktischen Anwendung der Bodenkolonnen kommt dem Arbeitsbereich (Verhältnis von Dampfbelastung zu Flüssigkeitsbelastung) eine besondere Bedeutung zu. Wird die Dampfbelastung zu gering ausgelegt, dann besteht die Gefahr des Durchregnens der Flüssigkeit. Eine zu hohe Belastung führt zum Mitreißen der Flüssigkeit. Andererseits ergibt eine zu geringe Flüssigkeitsbelastung eine ungleichmäßige Flüssigkeitsverteilung über den Boden. Eine zu hohe Flüssigkeitsbelastung führt zur Überflutung des Bodens. In allen diesen Fällen tritt eine starke Verringerung der Trennwirkung (Stoffaustausch) ein.

Filmkolonnen

Filmkolonnen werden für Destillationen oft eingesetzt, stehen jedoch in ihrer Bedeutung gegenüber Bodenkolonnen zurück. Unterschieden werden Füllkörperkolonnen und Rieselblechkolonnen.

Füllkörperkolonnen

Im Gegensatz zu dem stufenweise erfolgenden Stoffaustausch in den Bodenkolonnen wird bei der Füllkörperkolonne ein stetiger Stoffaustausch erreicht. Die Füllkörperkolonne ist nicht mit einzelnen Böden ausgerüstet, sondern besitzt über die gesamte Kolonnenhöhe eine durchgehende Füllkörperschicht, die auf einem Rost liegt, der im untersten Kolonnenteil angebracht ist. Der Kopfteil der Kolonne wird nicht vollständig gefüllt, damit eine gewisse Beruhigungszone entsteht und vom Dampf mitgerissene Flüssigkeitsteile wieder in die Kolonne zurückgelangen können. Außerdem muß die als Rücklauf eingeführte Flüssigkeit auf den gesamten Kolonnenquerschnitt verteilt werden. Die Füllkörper selbst werden in den verschiedensten Formen hergestellt. In jedem Fall geht es darum, eine möglichst gleichmäßige Berieselung der Füllkörperflächen zu erreichen und lange Berührungszeiten zwischen Dampf und Flüssigkeit zu gewährleisten. Die am häufigsten angewandten Füllkörper sind die Raschigringe und alle Arten von Sattelkörpern. Auch die Materialien, aus denen die Füllkörper hergestellt werden, sind sehr unterschiedlich. Die Palette der Materialien reicht vom Metall über Keramik bis hin zum Kunststoff. Die Füllung der Kolonne erfolgt durch Schüttung in die leere oder mit Wasser gefüllte Kolonne. Hinsichtlich der Verteilung des Dampfes bestehen keine Probleme, da er die ihm angebotenen gesamten Zwischenräume innerhalb der Füllkörperschicht voll auszufüllen bestrebt ist. Die Flüssigkeitsverteilung ergibt aber erhebliche Schwierigkeiten. Einmal soll die Flüssigkeit über den gesamten Querschnitt der Kolonne möglichst gleichmäßig verteilt werden, und zum anderen soll diese Verteilung auch über die gesamte Kolonne erhalten bleiben. Die Verteilung des Rücklaufes im Kopf der Kolonne erfolgt über speziell entwickelte Verteilereinrichtungen. Aber trotz gleichmäßiger Aufgabe nähert sich die herabrieselnde Flüssigkeit immer der Kolonnenwand, und der Kern der Füllkörperschicht wird gar nicht oder nur teilweise berieselt. Diese Erscheinung wird als »Randgängigkeit* bezeichnet. Um diesen den Prozeß verschlechternden Einfluß einzudämmen, ist es erforderlich, etwa alle 1 bis 2m die Füllkörperschicht zu unterbrechen und eine neue Flüssigkeitsverteilung vorzunehmen. Dazu wurden spezielle Verteilerböden entwickelt. Die Berechnung der notwendigen Füllkörperkolonne bereitet erhebliche Schwierigkeiten, da zu ihrer Bestimmung die Kenntnis des an der Füllkörperoberfläche ablaufenden Stoffaustauschvorganges erforderlich ist.

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