Einführung, Was ist Verfahrenstechnik

Die Entwicklung der chemischen Produktion lässt sich vom Altertum bis in unsere Zeit verfolgen. Im Verlauf dieser Entwicklung wuchs das Wissen um die Beschaffenheit von Rohstoffen und Produkten und die Kenntnis über Methoden und Verfahren zu ihrer Aufbereitung, Umwandlung und Herstellung. Die Anfänge der Chemieingenieurwissenschaft findet man als Warenkunde und lehrhafte Beschreibungen von Stoffen, Rezepten und Arbeitsgängen. Die wiederholte Überprüfung der Erkenntnisse führte zur Sicherung oder Verbesserung derselben. Aus der Verallgemeinerung von Erfahrungen aus der chemischen Produktion und den Ergebnissen gezielter Experimente zur Aufdeckung der wirkenden Gesetzmäßigkeiten und ihrer inneren und äußeren Zusammenhange entstanden die Aufgabenstellungen der Chemieingenieurwissenschaft. Sammeln, Beschreiben und Systematisieren von Erfahrungen aus der chemischen Produktion und dem Experiment, - Analysieren und Verallgemeinern der Erfahrungstatsachen und Informationen mit Hilfe der Grundwissenschaften (Mathematik, Physik, Chemie), Formulieren der spezifischen und objektiven Gesetze der chemischen Produktion bzw. der Stoffwirtschaft, - Anwenden der Gesetze auf die Gestaltung und den Betrieb chemischer Anlagen. Es dürfte verständlich sein, dass bei Nichtkenntnis der im Produktionsprozess wirkenden Gesetzmäßigkeiten und den vielfältigen Beziehungen eine optimale Entwicklung, Verwirklichung und Lenkung von Stoffumwandlungsprozessen praktisch unmöglich ist. Die bisherigen Aussagen korrespondieren mit der Definition: „Chemical Engineering ist die gleichzeitige Anwendung der Grundlagen der Physik, der Ökonomie und der Gesellschaftswissenschaft auf solche Wissenszweige, die sich direkt mit dem Prozess und dem Apparat befassen, in dem der Stoff behandelt wird, um eine Änderung des Zustandes, des Energieinhaltes oder der Zusammensetzung zu bewirken.“ In der Ausbildung erfolgt eine Aufgliederung der Chemieingenieurwissenschaft in die Fachdisziplinen Chemische Technologie, Verfahrenstechnik und Apparate- und Anlagen-Technik, deren gemeinsamer Gegenstand das chemische Produktionsverfahren ist. Ein chemisches Verfahren ist dabei eine technologische Kette von Prozesseinheiten, die der Stoff durchlauft, um am Ende chemisch umgewandelt daraus hervorzugehen. Unter dem Begriff Prozesseinheit ist in diesem Sinne die durch den Menschen beabsichtigte oder gesteuerte Wechselwirkung zwischen dem Arbeitsmittel in Form eines Apparates, einer Maschine oder einer sonstigen Einrichtung und dem Stoff als Arbeitsgegenstand mit dem Ziel der Stoffveränderung zum Zwecke seiner Gebrauchswerterhöhung zu verstehen. Die

Stoffveränderung kann sowohl in einer Stoffwandlung durch chemische Reaktion als auch in einer Änderung des Stoffzustandes infolge physikalischer Vorgänge bestehen. In der neueren Literatur wird zwischen Verfahren und Verfahrenszügen unterschieden. Übereinstimmend mit der vorstehenden Definition ist danach ein Verfahren die Kopplung von Prozeßeinheiten miteinander und mit der Umgebung zur Durchführung einer im Rahmen eines Verfahrenszuges charakteristischen Stoffwandlung. Die Kopplung derartiger Verfahren zu einem komplexen Stoffwandlungssystem, das zur Befriedigung eines gesellschaftlichen Bedürfnisses betrieben wird, stellt einen Verfahrenszug dar. ES wird deutlich, dass der bisher gebrauchte Begriff der chemischen Industrie sehr weit zu fassen und zweckmäßiger durch den Begriff Stoffwirtschaft zu ersetzen ist. Gehören doch zur stoffwandelnden Industrie neben der Chemie der Kohle-, Erdöl- und Erdgasprodukte, der organischen und anorganischen Grundchemikalien, der Kunststoffe, der synthetischen Fasern, der pharmazeutischen und sonstigen chemischen Spezialerzeugnisse auch Industriezweige wie Metallurgie, Baustoffe und Baumaterialien, Zellstoff und Papier, Nahrungs- und Genußmittel sowie der Schutz der Umwelt. Im Sinne der getroffenen Dreiteilung der Chemieingenieurwissenschaft in chemische Technologie, Verfahrenstechnik sowie Apparate- und Anlagentechnik erfolgt folgende Zuordnung: Die chemische Technologie wird als die Theorie der Gesamtheit der Verfahrenszüge betrachtet. Ihr Arbeitsgegenstand ist die Untersuchung und Festlegung des technologischen Weges vom Rohstoff zum Produkt auf der Basis des bekannten Chemismus der beabsichtigten Stoffumwandlung unter Einbeziehung aller Hilfsprozesse und Hilfs-Systeme (Energie- und Informations- bzw, Automatisierungssysteme). Das Arbeitsergebnis stellt die technologische Schaltung des Verfahrens oder Verfahrenszuges in Form von Fließbildern oder Modellen dar, wodurch die Verfahrensstruktur gegeben ist. Die spezielle chemische Technologie untersucht konkrete, auf den unmittelbaren Stoff bezogene Verfahren und Verfahrenszüge. Die allgemeine chemische Technologie dagegen erforscht das System verhalten technologischer Schaltungen unabhängig von speziellen stofflichen Bindungen mit Methoden der Kybernetik, der Systemtechnik und der Informationstheorie. Die Verfahrenstechnik behandelt die allgemeine Theorie der Stoffwandlungsprozesse und die Ausrüstungen zu ihrer Durchführung. Sie untersucht die Wechselwirkungen zwischen dem Stoff und der Ausrüstung in Form der

Auf der Grundlage der phänomenologischen und mathematisch-physikalischen Durchdringung dieser Vorgänge erfolgt, dem Stand der Erkenntnisse entsprechend,

um nur die wichtigsten verfahrenstechnischen Aufgaben zu nennen, die dem Anliegen und den Möglichkeiten dieses Textes entsprechen. Ihre Lösung wird um so komplizierter, je mehr man sich vom Einzelapparat bzw. seinem Modell zu Apparatekombinationen oder kompletten Anlagen hinwendet. Stellt doch eine Chemieanlage ein komplexes kybernetisches System mit verschiedenen Untersystemen (Stoff-, Prozeß-, Apparate-, Energie-, Meß-, Steuer- und Regelsystem) dar, dessen mathematische Modellierung Voraussetzung dafür ist, die Anlage z. B.- mit Hilfe von Prozeßrechnern optimal zu betreiben. Beiträge dieser Art überschreiten den Rahmen dieser Webseite. Das Arbeitsgebiet der Apparate- und Anlagentechnik reicht von der Dimensionierung und Konstruktion von Ausrüstungen für die chemische Produktion bis zur Erarbeitung ausführungsreifer Projektunterlagen, der Montage und Inbetriebnahme von Anlagen sowie Fragen, der Sicherheitstechnik. Der Reproduktionsprozeß bei der Entwicklung und dem Betrieb von Verfahrenszügen ist weitaus vielgestaltiger und komplizierter, als hier dargestellt. In seinen verschiedenen Phasen (Forschung, Auslegung, Projektierung, Konstruktion, Fertigung, Bau und Montage, Inbetriebnahme, Betrieb sowie Stillsetzung und Demontage) wirken ingenieur-wissenschaftliche Disziplinen (chemische Technologie, Verfahrenstechnik, Apparate- und Anlagentechnik, Fertigungstechnik, Informationstechnik) und marktwirtschaftliche Aspekte vielfältig zusammen. Hierzu kann nur auf weiterführende Literatur verwiesen werden.

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