Technische Strömungsvorgänge

Grundbegriffe der Mechanik fluider Stoffe

Da die fluide Form bei den in der chemischen Technologie verarbeiteten Stoffen und erzeugten Produkten vorherrscht, ist die Kenntnis und Beherrschung der Gesetze der Mechanik fluider Stoffe eine wichtige Voraussetzung für das Verständnis und die zielgerichtete praktische Anwendung verfahrenstechnischer Prozesse. Daraus ergibt sich, daß die hydromechanischen Gesetze im folgenden in erster Linie unter dem Aspekt ihrer Anwendung bei mechanischen und thermischen Grundoperationen in der Verfahrenstechnik behandelt werden. Die Mechanik der Fluide beschäftigt sich als angewandte Wissenschaft mit den Gleichgewichts- und Bewegungsgesetzen der Flüssigkeiten und Gase und den Wechselwirkungen zwischen fluiden Stoffen und festen Körpern. Die intermolekularen Wechselwirkungen und die Bewegung einzelner Moleküle der realen Flüssigkeit oder des realen Gases gehören nicht zum Untersuchungsgegenstand der Mechanik fluider Stoffe. Ihr Studiengegenstand sind die Bewegung bzw. Strömung eines fluiden Mediums als Ganzes, als mechanisches System, das man als Kontinuum (stetig zusammenhängender Körper) bezeichnet, und die zwischen dem Fluid und genügend großen festen Körpern (z. B. Rohrwand) bestehende Wechselwirkung. In diesem Sinne ist sie ein Teil der sog. »Makromechanik«.

Die Mechanik der Fluide läßt sich in zwei Teilgebiete gliedern, in die Statik der Fluide (Hydro- und Aerostatik), die sich mit den Gesetzen der relativen Ruhe und des Gleichgewichts der fluiden Stoffe und ihren Wechselwirkungen mit festen Körpern, die sich in ihnen im Zustand relativer Ruhe befinden, befaßt, und die Dynamik der Fluide (Hydro-und Aerodynamik), die die Strömungsgesetze und Wechselwirkungen zwischen strömenden Flüssigkeiten bzw. Gasen und festen Körpern untersucht. Im folgenden stehen die Gesetze der Dynamik fluider Stoffe im Vordergrund, wobei die mechanischen Erscheinungen beim makroskopischen Stofftransport nur bei Geschwindigkeiten untersucht werden, die niedriger sind als die Schallgeschwindigkeit in dem entsprechenden fluiden Medium. Dies ist auch eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, daß man sowohl Flüssigkeits- als auch Gasströmungen nach den gleichen Grundgesetzen berechnen kann. In der Strömungslehre werden die Flüssigkeiten zur Vereinfachung der Berechnung durch gewisse abstrakte Merkmale idealisiert.

Eine derartige Flüssigkeit wird als ideale Flüssigkeit bezeichnet. Diese ideale Flüssigkeit als »idealer Modellstoff « ist inkompressibel und durch Wärmeeinwirkung nicht ausdehnbar, d.h. also volumenbeständig. Außerdem verfügt sie über keine innere Reibung zwischen den Flüssigkeitsteilchen, besitzt folglich keine Viskosität. Da die Annahme der Inkompressibilität und Nichtausdehnungsfähigkeit einer Flüssigkeit häufig keinen wesentlichen Einfluß auf die Berechnungsergebnisse hat, genügt es in der Mechanik der Fluide, eine Flüssigkeit zu betrachten, die im Vergleich zur idealen nur das Merkmal der Viskosität aufweist. Hieraus ergibt sich die Gegenüberstellung von realer (viskoser) und idealer (nichtviskoser) Flüssigkeit.

Für das Studium der Flüssigkeitsströmung sind die genannten Annahmen notwendig, um auf die dadurch idealisierte Flüssigkeitsbewegung die Gesetze der Mechanik anwenden zu können. Selbstverständlich müssen auf diese Annahmen jene wesentlichen Merkmale zutreffen, durch die, wenn auch unvollkommen, das wahre Bild der Flüssigkeitsströmung in den einfachsten Fällen charakterisiert wird. Nur dann können die aus dem künstlichen Bewegungsmodell gezogenen Schlussfolgerungen auf die reale Flüssigkeitsbewegung ausgedehnt werden. Ob es praktisch möglich ist, die Gesetze der Mechanik des ideal- oder zähflüssigen Körpers auch auf Gase anzuwenden, die leicht einer Verdichtung unterliegen und über Elastizität verfügen, hängt von den Temperatur- und Druckänderungen sowie der Strömungsgeschwindigkeit im Rahmen der zu untersuchenden Erscheinungen im jeweiligen strömungstechnischen System ab. Verändern sich diese Parameter bei einer Gasströmung nur unwesentlich, dann kann man die Dichte des Gases praktisch als konstante Größe ansehen. Unter diesen Voraussetzungen können die nachfolgend behandelten Gesetze der Hydrodynamik auch auf strömende gasförmige Stoffe angewendet werden, andernfalls gelten die Gesetze der Gasdynamik. Um von einer Flüssigkeitsströmung ein anschauliches Bild zu bekommen, verwendet man Stromlinien, d.h. Linien, bei denen in jedem Punkt die Tangente mit dem Geschwindigkeitsvektor des in diesem Punkt befindlichen Flüssigkeitsteilchens zusammenfällt. Behält die Strömung an jeder Stelle des Flüssigkeitsvolumens ihre Geschwindigkeit nach Größe und Richtung bei, so nennt man sie stationär, d. h. zeitlich unveränderlich. Es ist dabei zu beachten, daß sich der Begriff »stationär« nur auf die Zeit und nicht auf den Ort bezieht. Bei einer stationären Strömung können sehr wohl an verschiedenen Stellen verschiedene Strömungsgeschwindigkeiten vorliegen, was auch allgemein der Fall ist, jedoch an ein und derselben Stelle ändert sich der Strömungszustand und insbesondere die Strömungsgeschwindigkeit zeitlich nicht. Das gesamte Stromlinienbild ist zeitlich unveränderlich. Die Stromlinien schneiden sich nicht. Sie fallen mit den Bahnen der Flüssigkeitsteilchen zusammen und vermitteln somit ein Bild vom tatsächlichen Weg der Flüssigkeitsteilchen. Hierbei muß erwähnt werden, daß die Mehrzahl der in der Hydrodynamik zu lösenden Aufgaben eine stationäre Bewegung betreffen. Die Stromlinien bilden in ihrer Gesamtheit eine Stromröhre. Ihr flüssiger Inhalt wird als Stromfaden bezeichnet. Bei einer stationären Strömung bleibt die Gestalt einer Stromröhre erhalten. Durch die Seitenbegrenzungen tritt weder Flüssigkeit ein noch aus. Die Strömungsgeschwindigkeit in einer Stromröhre ist die über den Querschnitt genommene mittlere Geschwindigkeit, deren Richtung senkrecht zum Querschnitt steht. Die Flüssigkeit, die durch ein festes Rohr strömt, wird zur Vereinfachung als ein einziger Stromfaden angesehen. Die Rohrwandung bildet dann als äußere Begrenzung des Stromfadens die Stromröhre.

Stationäre, ideale Rohrströmung

Für die stationäre Strömung idealer Fluide in Rohrleitungen gelten zwei grundlegende Gleichungen, auf die alle Rohrleitungsberechnungen aufbauen. Es sind dies die Kontinuitäts- oder Durchflußgleichung und die Bernoulli- oder Energiegleichung. Die Ableitung dieser Gleichungen erfolgt unter folgenden Voraussetzungen:



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