Prozesse - Systeme der Verfahrenstechnik

Neben der Analyse von Verfahren, ihrer Zerlegung in Grundverfahren und deren Strukturierung entsprechend den Wirkprinzipien ist die Synthese von Verfahren, also das Zusammensetzen der Grundverfahren zu verfahrenstechnischen Systemen, in denen gewünschte neue Produkte hergestellt werden können, eine der Hauptaufgaben des Verfahrensingenieurs. Die Entwicklung eines neuen Verfahrens ist für ihn eine "Pioniersituation", da er einer Problemstellung gegenübersteht, die bisher nicht gelöst wurde. Neu sind nicht die zur Verfügung stehenden Grundverfahren und dafür bewährte konstruktive Lösungen, sondern das Neue besteht darin, daß die Grundverfahren aus einem alternativen Angebot auszuwählen und auf geeignete Weise zu verknüpfen sind.
Unabhängig vom aufzubauenden System ist folgende Vorgehensweise kennzeichnend für die Verfahrensentwicklung:

1. Festlegung der Funktion:

2. Festlegung des Prozesses (Synthese und Prozeßoptimierung):

3. Festlegung der Bauart (Design):

4. Optimierung (Anlagenverbesserung)

Für die Systemgestaltung ist aber nicht nur die Kenntnis der Grundverfahren notwendig, sondern auch das Verständnis ihres Zusammenwirkens. Denn in der Regel beeinflussen sich die Grundverfahren im Gesamtsystem auf vielfältige Weise. Als Beispiel sei ein chemischer Reaktor mit anschließender Auftrennung der Reaktionsprodukte angeführt. Unter den Reaktionsprodukten finden sich stets auch nicht reagierte Ausgangskomponenten, die aus Gründen der Wirtschaftlichkeit in den Reaktor "zurückgeführt" werden müssen.

Ebenso können Energieströme zwischen verschiedenen Grundverfahren ausgetauscht, also beispielsweise eine im Reaktor entstehende Reaktionswärme zur Beheizung anderer Stelle im Gesamtsystem genutzt werden. Derartige "stoffliche" und "energetische" Rückführungen bewirken ein komplexes Systemverhalten. Aus diesem Grund wird heutzutage in der Verfahrenstechnik verstärkt Wert auf ein ganzheitliches Systemverständnis gelegt, das als Grundlage für die Prozeßentwicklung unabdingbar ist. Hierzu müssen auch die Prozeßoptimierung, beispielsweise durch Reduzierung der Anzahl der benötigten Grundverfahren oder durch verbesserte Prozeßführung aufgrund tieferen Prozeßverständnisses und die Betrachtung der Prozeßdynamik, d.h. des zeitlichen Prozeßablaufes gerechnet werden. Ein wesentliches Hilfsmittel ist hierbei die mathematische Modellierung, in die wichtigsten Prozeßeigenschaften durch Aufstellen von Gleichungen für die Grundverfahren und deren Verschaltung abgebildet werden. Sie ist die Voraussetzung zur statischen und dynamischen Prozeßsimulation auf leistungsstarken Digitalrechnern. Die stationäre Simulation dient der Berechnung der Stoff- und Energieströme, wobei Energiebedarf, Produkte und Schadstoffe nach Menge und Zusammensetzung vorausberechnet werden. Diese Daten sind die Voraussetzung für die Apparateauslegung, wohingegen mit Hilfe der dynamischen Simulation die regelungstechnische Ausrüstung erarbeitet und das An- und Abfahrverhalten studiert werden können. Die Prozeßsimulation erlaubt den Einblick in das Systemverhalten bereits vor der apparativen Realisierung, ein Vorteil, der insbesondere bei komplexen und damit hinsichtlich ihres Verhaltens schwer abzuschätzenden Verfahren zum Tragen kommt.

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